Der Nachhaltigkeitsprozess im Bistum Hildesheim – Die Klimakrise als Chance begreifen
Wir stecken mitten in der Klimakrise. Das Jahr 2022 war in Deutschland das wärmste Jahr seit Messbeginn mit Sonnenscheinrekord. Was ist jetzt zu tun? Als Bistum wollen wir diesen Mut und diese Tatkraft beweisen und uns den notwendigen Veränderungen stellen.
Nur für Mutige
Wir stecken mitten in der Klimakrise. Das Jahr 2022 war in Deutschland das wärmste Jahr seit Messbeginn mit Sonnenscheinrekord. Wer einen Garten hat, konnte den Pflanzen beim Vertrocknen zusehen; am Hildesheimer Domhof bildeten sich tiefe Risse in einem Gebäude, weil nach vier Dürrejahren die Tonschichten austrocknen und sich der Boden senkt. Und dies ist kein lokales Phänomen: Aus unserem Partnerland Bolivien erreicht uns der Bericht aus einer Hochlandgemeinde, in der die eigentlich für September übliche Frühjahrsaussaat des Grundnahrungsmittels Mais aufgrund der Dürre bis Ende Dezember noch nicht möglich war. Man kann dies kleinzureden versuchen, man kann dies zu verdrängen versuchen, man kann sich mit anderen Dingen abzulenken versuchen – oder man kann all seinen Mut zusammennehmen und der Realität ins Angesicht sehen: Ja, wir befinden uns mitten in der Klimaerhitzung. Ja, wir müssen all unsere Kraft dafür einsetzen, dass sich die bereits handfeste Klimakrise nicht zur verheerenden Klimakatastrophe auswächst. Ja, wir müssen solidarisch mit den Leidtragenden und Opfern des Raubbaus an unserem Planeten sein. Ja, wir müssen die Verantwortung dafür übernehmen, wie wir unseren Kindern, Enkeln und kommenden Generationen diesen Planeten überlassen. Ja, dies bedeutet ab sofort massive Einschnitte, dies bedeutet Verzicht und Veränderung. Ja, dies wird wehtun. – Aber was ist die Alternative? Als Bistum wollen wir diesen Mut und diese Tatkraft beweisen und uns den notwendigen Veränderungen stellen. Doch wie?
Ein Blick zurück
Bereits im Herbst 2020 wurde vom Generalvikar eine vierköpfige Arbeitsgruppe eingesetzt (Dr. Christian Heimann vom Diözesanrat, Dr. Jessica Griese aus der Hauptabteilung Bildung, Martin Spatz aus der Abteilung Bau sowie Dr. Dr. Dirk Preuß aus der Hauptabteilung Pastoral). Begleitet von einem Lenkungskreis (Finanzdirektorin Anja Terhorst, Rat Dr. Christian Hennecke) sollte die Arbeitsgruppe, relevante Handlungsfelder identifizieren, umweltrelevante Aufgabenstellungen beschreiben sowie eine Prozessarchitektur entwickeln, wie diese Aufgaben abgearbeitet werden können. In Anlehnung an die 2010 im Energieleitfaden veröffentlichten, aber bisher nicht offiziell verabschiedeten Umweltleitlinien des Bistums und an die Handlungsempfehlungen der Deutschen Bischöfe „Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag“ wurden sieben Felder benannt, die es besonders in den Blick zu nehmen galt: 1) Liturgie & Verkündigung, 2) Bildung, 3) Kirchliche Immobilien, 4) Beschaffung & Finanzen, 5) Mobilität, 6) Mitwirkung in Politik und Gesellschaft sowie 7) Kommunikation. Auf Grundlage dieses Vorschlags wurden 12 Arbeitsgruppen mit insgesamt rund 60 Personen aus dem ganzen Bistum ins Leben gerufen, um jeweils eines dieser Handlungsfelder bzw. Aspekte davon detailliert zu betrachten.
Die Gruppen starteten am Festtag des hl. Franziskus, am 4.10.2021, und übergaben ihren Bericht Anfang Mai 2022 dem auftraggebenden Generalvikar. Hierin beschrieben die Arbeitsgruppen in verschiedenen Szenarien, welche Maßnahmen sie mit welcher Dringlichkeit für ihr jeweiliges Handlungsfeld empfehlen – und was die Umsetzung kosten würde. Auf Grundlage dieser Szenarien und Kostenschätzung gab der Lenkungskreis zugleich eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen und zur Umsetzung und Finanzierung ab. Diese Empfehlung wurde im Diözesanrat, im Bischöflichen Rat und im Diözesanpastoralrat vorgestellt, beraten und schließlich im Diözesanvermögensverwaltungsrat bewilligt. Was folgt daraus?
Perspektive
Ein, wenn nicht das zentrale Ziel lautet, im Einklang mit dem internationalen Pariser Klimaabkommen zu agieren, das eine Erderwärmung von 1,5 °C, in jedem Fall deutlich unter 2° C vorsieht. Etwas vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass das Bistum mit seinen Einrichtungen sowie die Kirchengemeinden mit Unterstützung des Bistums bis 2035 CO2-neutral sein müssen. Konkret folgt daraus – auch wieder holzschnittartig gesprochen: Alle Gebäude, die nach Durchlaufen des Immobilienprozesses in der Finanzierung des Bistums bleiben, müssen so energetisch ertüchtigt und umgestellt werden, dass sie CO2-neutral betrieben werden können. Wie dergleichen aussehen kann, können Sie in dem zweiten Beitrag dieses Newsletters lesen. Damit dies gelingen kann, werden zum einen zwei Projektstellen in der Bauabteilung für die energetische Zurüstung der Gebäude geschaffen, zum anderen wird rund ein Fünftel des Bauetats, d.h. jährlich 1,7 Mio Euro, zur Umsetzung dieses Ziels zur Verfügung stehen. Weitere Mittel können aus den Rücklagen für Investition und Entwicklung beantragt werden. Die Zahlen machen aber vor allem deutlich, dass dies nur gelingen kann, wenn der Gebäudebestand des Bistums tatsächlich durch den Immobilienprozess bis 2033 um 50 % reduziert wird und etwaige Verkaufserlöse so reinvestiert werden, dass es der Klimaneutralität des Bestandes zugutekommt. Aber auch andere Nachhaltigkeitsziele aus dem Bereich des Umwelt- und Naturschutzes wurden formuliert. So ist neben der Klimakrise ein enormer Verlust an Artenvielfalt zu beklagen (das sechste große Artensterben der Erdgeschichte), die Natur leidet an Raubbau und Vermüllung (Stichwort Plastik). Entsprechend müssen weitere Handlungsfelder ebenso im Fokus der Aufmerksamkeit stehen: Die ökologisch verträgliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen und kirchlicher Gelände; ein schonender Umgang mit Ressourcen (eine öko-faire-regionale Beschaffungspraxis); eine ethisch nachhaltige Geldanlage. Schließlich ist auch die Mobilität so zu organisieren, dass sie dem Klima nicht schadet. Etwas ausführlicher werden diese Aspekte im dritten Beitrag dieses Newsletters eingeordnet. Um diesen Anliegen nachzukommen und zu deren Umsetzung auch öffentliche Fördermittel einzuwerben, werden weitere vier befristete Projektstellen geschaffen. Sie sollen bei der Umsetzung der Ziele hilfreich zur Seite stehen und unterstützen, vor allem aber auch motivieren und der (Bewusstseins-)Bildung dienen. Denn klar ist auch: Notwendige Verhaltensänderungen werden sich an vielen Punkten nur einstellen, wenn sich auch unsere Haltung ändert, wo dies noch nicht geschehen ist. Wir müssen mutig sein angesichts der übergroß erscheinenden ökologischen Krisen; wir müssen entschieden sein angesichts der durchzuführenden und einschneidenden Maßnahmen; wir müssen Gerechtigkeitssinn beweisen angesichts der leidenden Menschen, Natur und Erde; wir müssen uns langfristig in Selbstbeschränkung und Verzicht auf Liebgewonnenes üben, werden so aber auch bewusster leben. Als Christinnen und Christen bringen wir die Voraussetzungen dazu mit. Vielleicht ist die Klimakrise so auch eine Chance, uns auf diese Tugenden zu besinnen, sie wieder zu entdecken und unseren Glauben an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, neu zu justieren? – Wir glauben: ja!
Autoren: Dr. Christian Heimann ist der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholik:innen im Bistum Hildesheim. Jessica Griese arbeitet im Bischöflichen Generalvikariat in der Abteilung Bildung u.a. im Bereich der Lehrerfortbildung. Dr. Dr. Dirk Preuß ist als Referent für Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der Abteilung Dialog und Solidarität tätig und Martin Spatz ist in der Abteilung Bau für technisches Gebäudemanagement und Klimaschutz verantwortlich
Den gesamten Newsletter Lokale Kirchenentwicklung finden Sie hier.